So schnell können sich Pläne ändern...

Foto: Mia Möbes

Diese Zeilen schreibe ich aus Rivarennes, Touraine, Frankreich. Im momentan von meiner Schwester bewohnten Gîte meiner Eltern  haben wir nach drei Wochen wilder Frankreich-Kreuzfahrt einen Stopp eingelegt, der knapp drei Wochen dauern wird.

Nach unserer Planung wären wir wohl eigentlich gerade in Nordspanien, wenn, ja wenn....

 

Pläne können sich sowas von schnell ändern, das haben wir schon in den ersten paar Wohnmobil-Fahrtagen gelernt. Besonders, wenn man einfach ausprobiert, was machbar ist und was nicht und mit einer gehörigen Portion Naivität in eine solche Unternehmung hineintapst. Und wenn es nicht nur um die eigene Nase geht, sondern man auch die Verantwortung für Mitreisende trägt, die schlichtweg komplett abhängig sind von dem, was man plant und tut.

So schmissen wir nach den ersten paar Tagen wirklich all unsere Pläne in Richtung iberischer Halbinsel über den Haufen und genießen nun, statt Asphalt unter den Reifen zu haben, eine feste Basis mit viel Platz, Familienanschluss, Internetzugang, großem Garten und noch mehr Luxus, den wir zuhause für alltäglich hielten, der uns nun, nach drei Wochen Wohnmobil-Oldie zunächst fast unvorstellbar vorkam (fließend Wasser ohne Nachfüllsorgen, Duschmöglichkeit, Muße, auch mal etwas zu lesen, Strom und Internet - für die Kids und den Blog natürlich besonders wichtig).

Nach einigen Tagen Fahrt war klar, dass unsere älteste Hündin Rica unter Riesenstress litt und mit den dauernden Umstellungen überhaupt nicht zurecht kam, was sich in ganz erbärmlichem Gesichtsausdruck, eingekniffener Rute und Dauergebell außerhalb des Wohnmobils äußerte. Wir waren also stellplatztechnisch extrem eingeschränkt, versuchten, möglichst ruhige Stellen  zu finden, fernab von Menschen. Nicht allzu einfach in der Ferienhauptsaison. Die zudem, wie uns ein Franzose erklärte, aufgrund der Angst vor Anschlägen, in diesem Jahr größtenteils im eigenen Lande verbracht wird. Und wirklich: Massen an französischen Wohnmobilfahrern waren auf Straßen und Stellplätzen unterwegs, die Sichtungen von ausländischen Wohnmobilen können wir nach drei Wochen noch immer locker an zwei Händen abzählen.

Dazu wechselte das Wetter von kühlen  Gewitterfronten gleich zu Beginn in der Normandie zu immer wieder großer Hitze - wenn man es recht bedenkt nicht unbedingt außergewöhnlich im August... Mit unklimatisiertem Wohnmobil ein No-Go für die Insassen

Viele offizielle Stellplätze an den Küsten waren eng an eng verstopft, derart vollgeparkt, dass man gerade eben so die Türe des Wohnaufbaus öffnen konnte, ohne an den Nachbarn zu stoßen. Unvorstellbar für uns, wie man so (selbst ohne vierbeinige Begleitung) einen Urlaub genießen soll. Die Fahrt immer an der Küste entlang hatte sich damit für uns direkt erledigt.

Nach zwei Tagen Normandieküste bei St. Aubin s. Mer entflohen wir den Gewitterfronten in Richtung Südwesten, um etwas besseres Wetter zu haben und gerieten am Atlantik in eine echte Hitzewelle. Zum Glück hatten wir einen einigermaßen ruhigen Schattenplatz unter Bäumen erwischt, wo wir zwei Tage stehen durften.

Weitere für uns geeignete Stellplätze an der Küste fanden wir nicht und beschlossen daher, wieder ins Landesinnere zu fahren, wo es ein bisschen einfacher ist, wild zu stehen, obwohl eigentlich nicht erlaubt in Frankreich (meine Schwester, die seit 15 Jahren in Frankreich lebt, grinste über meine ziemlich deutsche Überbesorgtheit und meinte nur: "Leg das mal ab, die Franzosen halten sich selbst an kein einziges Verbot!"). Und tatsächlich haben wir nie irgendwelchen Ärger bekommen, ab und zu wurden wir mal mißtrauisch gemustert, ernteten häufiger aber ein freundliches Kopfnicken. Wir achten beim wilden Campen stets darauf, von Bäumen/Gebüsch ein bisschen verdeckt zu stehen, möglichst auch abseits von Bebauung, niemandem im Weg zu sein und - ganz wichtig - den Platz sauberer zu verlassen als wir ihn vorgefunden haben. Zu diesem Zweck habe ich stets den jeweiligen Platz von wild umherliegendem Müll gesäubert, so hatten alle etwas davon - wir ein Plätzchen für die Nacht und die nachfolgenden Besucher einen saubereren Anblick. Natürlich werden auch Grauwasser- und Fäkaltank nicht einfach wild entsorgt, zumal es in Frankreich, ganz augenscheinlich dem Lande der begeisterten Camper in vielen Dörfern Gratis-Entsorgungsstationen (Aire de service Camping-Cars) gibt, die allerdings nicht immer ganz leicht zu finden sind, weil häufig nicht lückenlos ausgeschildert.

 

Wir haben also schon in den ersten paar Tagen festgestellt, dass diese Art zu reisen, nicht wirklich etwas für uns ist, denn "Feel free to be free" kann nur so lange gelten, wie es allen dabei gut geht. Und dazu gehören selbstredend als Familienmitglieder auch unsere Hunde. Von den Kids hörte ich Sätze wie: "Ich komm' mir vor wie ein Gefängniswärter", weil ständig Hündin Rica wieder in ihre Box gebracht werden musste, statt sich draußen ein Lüftchen um die Nase wehen lassen zu können (wie wir uns das ursprünglich vorgestellt hatten) oder auch: "Ich fühle mich irgendwie wie auf der Flucht", weil wir halt nirgendwo länger als ein/zwei Nächte stehen konnten und in den ersten zehn Tagen wegen der Hunde Menschen möglichst mieden, das änderte sich zum Glück in der zweiten Hälfte der Fahrt ein bisschen, dazu später in einem anderen Beitrag mehr.

Wir sind dabei, uns Gedanken zu machen, wie es längerfristig weitergehen kann, unsere Pläne in der Theorie erwiesen sich jedenfalls in der aktuellen Konstellation im Praxistest als deutlich zu hoch gegriffen. Aber auch das ist ja ein Lerneffekt und wir sind nicht böse drum, sondern dankbar, dass wir relativ "frei Schnauze" entscheiden können, wie wir weitermachen. Und sind ganz optimistisch, eine Lösung finden zu können, die allen gerecht wird.

Auf dieser ersten Reise werden wir nach den drei Wochen Touraine aufbrechen in Richtung Corbières, Nähe Carcassonne, dort lebt eine Tante der Kinder, sehr, sehr ländlich in wunderschöner Umgebung. Wir wollen dort bei Apfel- und Kastanienernte und -verarbeitung helfen, mit Hilfe des Cousins die doch sehr marode Elektronik des Wohnmobils ein bisschen in die Gänge bringen, später eventuell noch eine kleine Schleife nach Spanien drehen und dann wieder nach Hause fahren, je nachdem, wie alles klappt und wie wir Lust haben.

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Astrid Rinne (Dienstag, 01 September 2015 11:36)

    Hallo Leute,
    schön, von Euch zu lesen. Hört sich ja interessant an - und jetzt fängt bestimmt ein sehr schöner Teil Eurer Reise an. Viel Freude dabei !
    Astrid

  • #2

    Katja (Dienstag, 01 September 2015 12:13)

    Danke für den Reisebericht! Schön, dass es euch jetzt gut geht. Hoffentlich kommt ihr nicht mit mehr Hund nach Hause als geplant. :-) Viel Spaß bei der Ernte! Und danke auch für den Hinweis auf den Umgang mit Gesetzen...

  • #3

    Niki (Mittwoch, 02 September 2015 10:58)

    Vielen Dank für den interessanten und toll zu lesenden Reisebericht! Gerade auch die Erfahrungen mit Hund und Wild-Campen. Alles Gute für alles weitere! À bientôt :-)

  • #4

    Tina (Samstag, 03 Oktober 2015 20:27)

    Ihr Lieben,
    es war so schön, dass ihr da wart, uns sind gîte, studio und Garten nach eurer Abfahrt auf einmal so leer vorgekommen. Ich bin egoistischerweise total froh über die Batterienpanne, denn so kam ich nach 15 Jahren (!) endlich mal wieder in den Genuss, ohne sofort wieder weg zu müssen, mit Dir und den Kids zu quatschen, zu lachen und einfach mal die Zeit zu geniessen.
    Und jedes Mal, wenn ich beim Musée Dufresne vorbeifahre, denke ich an euch und das Abenteuer mit dem abgeschlossenen Tor...
    Hoffentlich habt ihr eine schöne Zeit im Süden Frankreichs verbracht, die Mondfinsternis brachte uns ja vor kurzem wieder nächtliches Glucksen (mit Hauke) um 4h früh!
    Bis bald, spätestens zum Jahresende!