Ab jetzt ohne uns - Bildungs-Unfreiheit in einer Demokratie

Es hat tatsächlich einige Anstöße meines Ältesten und einige externe inspirierende Vorbilder gebraucht, bevor ich fähig wurde, mich und in der Folge auch unsere Familie als freie, frei zu bildende Wesen zu betrachten. Zum Glück scheint Janko viel selbständiger denken zu können!

Erst im Nachhinein geht mir auf, als wie selbstverständlich ich die verpflichtende (Bildungs-)Unfreiheit in Deutschland hingenommen habe, von selbst nicht darauf gekommen wäre, dass es auch anders gehen könnte.

Dabei hatten wir schon ein gerüttelt Maß an Unglücklichsein, zunehmenden psychosomatischen Beschwerden unseres Jüngsten und zahlreiche Beschwerden von Lehrerseiten hinter uns (zusätzlich dazu den in einem von einigen Elterngesprächen sanft hingeworfenen Hinweis des Stufenleiters, dass ohne Verhaltensänderung es wohl auf einen Schulverweis hinauslaufen würde und daher dringendst eine ärztliche Untersuchung anzustreben sei). Eine (von unserem Jüngsten ausdrücklich gewünschte, weil bereits zu allseitiger Zufriedenheit erfolgreich erprobte) Platzierung an einem Einzeltisch wurde abgelehnt mit dem Argument, eine wichtige Aufgabe der Schule sei es, eine Gruppenkompatibilität herzustellen.

Wenn ich überlege, in welch lähmender Hilflosigkeit mich diese Gespräche zurückließen und mit welchem Magengrummeln, bin ich heute echt sauer auf mich selbst, nicht viel früher und nicht von selbst nach anderen Auswegen gesucht zu haben. Aber die Ja-Sager-Mentalität, die erlernte Obrigkeitshörigkeit steckte wohl zu tief drin, und ich bin meinem Ältesten sehr dankbar, dass er mich da ein bisschen rausgerüttelt hat.


Wie kann es sein, dass unter allen Umständen der Fehler bei einem Individuum zu suchen (und "optimalerweise" auch zu finden) ist und nicht ansatzweise daran gedacht wird, dass das Umfeld vielleicht einfach nicht passen könnte? In der deutschen Zwangsbeschulung findet man hierin natürlich die Basis, denn die deutschen Gesetze verlangen geradezu, dass gleich gemacht wird, was nicht gleich ist, dass zwangsweise passend gemacht wird, was vielleicht einfach nicht zueinander passt. Angepasstheit und der Norm entsprechend handeln wird als großer Vorteil und anstrebenswertes Ziel angesehen. Unangepasstheit hat darin keinen Platz, ja wird geradezu zum Ärgernis, weil sie einen nicht zu verleugnenden Störfaktor darstellt im Rahmen von Lehr- und Lernplänen, Verknappung von Ressourcen, Schulzeitverkürzung und Klassengrößeaufstockung. Da muss natürlich, soll das Ganze als Ganzes funktionieren, alles flüssig laufen, wird notfalls mehr oder weniger subtil mit entsprechendem Druck gearbeitet.


"Homeschooling", das war mir lediglich aufgrund von Berichten über Australien und Kanada ein Begriff. Klar, dort, wo Entfernungen zu Schulen womöglich mehrere hundert Kilometer betragen, muss es Internate oder aber die Möglichkeit geben, zu Hause zu lernen.  Bei uns in Deutschland ist das ja gar nicht notwendig. 

Bei uns in Deutschland ist das aber auch gar nicht möglich... Selbst wenn Eltern aus welchen Gründen auch immer selbst für die Bildung ihrer Kinder sorgen möchten, dürfen sie das in Deutschland nicht. Die staatliche Kontrolle  - offiziell: Die staatliche Verantwortung - wird um ein Vielfaches höher gewichtet als die elterliche Verantwortung und das elterliche Recht, so dass Eltern ihre Kinder zwangsweise in das deutsche Beschulungs-System einführen müssen. Dies geschieht in einer Demokratie. In einer Demokratie, deren Nachbarländer zu einem großen Teil andere  Bildungsmöglichkeiten teils mit teils ohne staatliche Auflagen garantieren. In einer Demokratie, in deren Grundgesetz (Art. 6) es heißt: "(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."

Bitte - man lege nun einmal das "natürliche Recht der Eltern" auf die eine und die (Über)Wachung durch die staatliche Gemeinschaft auf die andere Waagschale. Und schwupps ist das natürliche Recht der Eltern hoch hinaus katapultiert, irgendwo ganz weit aus jedermanns Blickfeld...

Deutschland bedarf hier wirklich extrem dringend einer Nachbesserung, der Einführung einer wirklich freien Wahlmöglichkeit für Eltern und Kinder.

Es ist nicht zu erwarten, dass sämtliche staatliche Schulen dann schließen müssten, für viele Eltern und Kinder stellt die staatliche Beschulung eine Bildungs-Möglichkeit dar, die überdies noch eine zeitlich großzügige Betreuung der Kinder gewährleistet.

Aber wenn sich Kinder und Eltern gemeinsam entscheiden, einen anderen Weg gehen zu wollen, müsste dies in einem Land wie Deutschland möglich sein.


Da ich und mein Mann es nicht auf einen unter Umständen ausartenden und zermürbenden Kleinkrieg mit Behörden anlegen wollten und ich so etwas für uns nicht für eine geeignete Entwicklungsatmosphäre für die Kinder halte, sah ich erst einmal keine andere Lösung, als zunächst unser Zuhause in Deutschland zu verlassen. Ein Schritt, der nicht leicht fiel, blieben der Papa, einige Freunde, meine berufliche Perspektive und viele Annehmlichkeiten doch zuhause zurück. Wir befinden uns noch ganz in den Anfängen unseres Weges einer freien Bildung und diskutieren doch schon fleißig, wie es weitergehen kann.

Das Reisen im Wohnmobil ist eine Erfahrung, aber wird für uns keine Dauerlösung sein, schon wegen der Hunde, die einen festen Standort mit mehr Platz benötigen. Mia stellte in den ersten drei Fahrtwochen fest, dass es sich für sie anfühlt wie "auf der Flucht zu sein" (was es ja gewissermaßen auch ist, aber womit man natürlich nicht befriedigend ein Leben füllen kann), die Abhängigkeit von engmaschiger Wasserversorgung (und vor allem Fäkaltankentleerung) machte uns als WoMo-Anfängern da am meisten zu schaffen, auch das Gefühl von Mia und mir, irgendwie nicht "produktiv" zu sein bei all der Fahrerei. Wir werden sehen, wie es weitergeht, vielleicht ist die Kombination von Reisen und festen Orten zum Auftanken eine Möglichkeit, vielleicht ein Grundstück mit Ruine zwecks Wiederaufbau und Selbstversorgung, wir diskutieren und überlegen viel gemeinsam. Nach einer Reise-Pause von drei Wochen bei meiner Schwester in der Touraine werden wir morgen wieder aufbrechen für voraussichtlich noch einmal drei Wochen Fahrt (Schlenker nach Spanien rein ist geplant, Mia und ich haben hier begonnen, Spanisch zu lernen) bis wir dann eine Erntehelfer-Pause bei meiner Schwägerin in den Corbières einlegen werden, wo es seit diesem Jahr auch zwei kleine Freilerner gibt. :) 


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