feelfreetobefree @ Schulfrei-Festival 2017

Auch in diesem Jahr besuchten wir das viertägige Schulfrei-Festival in Brandenburg, auf das Jakob schon das gesamte Jahr hingefiebert hatte. Mia hatte diesmal leider keine Zeit, mitzukommen, da sie ein paar Tage zuvor einen einjährigen Bundesfreiwilligendienst begonnen hatte. Und Janko, der sich bei seinem Chef für diese Zeit ausdrücklich Urlaub ausbedungen hatte, wurde am Tag vor der Abreise dann doch noch zwangsverpflichtet, da ein wichtiger Auftrag anstand und ein Mitarbeiter ausgefallen war. Eine Zugfahrt musste also noch flott vor Abfahrt organisiert werden. Das versetzte uns heftigst ins Rotieren, besonders mich, denn ich komme bei den Vorbereitungen zu unseren Reisen auch ohne unvorhergesehene Störfälle stets ins Schwitzen.

 

Dementsprechen "gelaunt" schwang ich mich dann auch auf den Fahrersitz unseres treuen Instabils, lauthals schimpfend und zeternd wie ein Rohrspatz, während unser alter Diesel, munter vor sich hin röhrend, Fahrt aufnahm. Jakob meinte zwischendrin breit grinsend: "Ui, Mama, Du solltest Demotivationstrainer werden!" :)

Aber selbst das konnte mich in dem Moment nicht ruhigstellen. Irgendwann reichte es Janko neben mir dann wirklich und er begann mit tiefer, ruhiger Stimme, mir die seit meiner Hypnosetherapie im vergangenen März vertrauten Suggestionen vorzusagen: "Du bist ganz ruhig und entspannt. Nichts kann Dich mehr stören. Immer tiefer und tiefer sinkst Du jetzt in diesen wunderbaren Zustand völliger Entspannung. Gar nicht mehr aktiv sein, gar nichts mehr wollen jetzt. Alles geschieht von alleine. Schließe jetzt Deine Augen ..."  - Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment brachen wir, wie immer an dieser Stelle, gemeinsam in schallendes Gelächter aus. Es ist schon geil irgendwie, wenn Junior so ganz genau weiß, wie er mich zu packen kriegt. Die Anspannung war komplett verflogen und die Fahrt konnte nun endlich gutgelaunt weitergehen.

(Selbstverständlich ist es KEINE! gute Idee, während Autofahrten Hypnose zu genießen, bitte nicht nachmachen!! Bei uns ist das nicht wirklich ernst gemeint, ist einfach mittlerweile ein Insider, dass Janko mich, wenn ich mich aufrege, supereasy so wieder auf den Boden holen kann.)

 

Ich fand es wirklich schade, dass unsere ursprünglich gemeinsam geplante Aktion nun so zerfledderte - Mia im Dienst, Janko nach dem ersten Abend abkommandiert. Zum Glück ergab es sich dann während der Fahrt nach Klein Leppin, wo echt der Hund begraben ist und sich  dort an seinem Grab Fuchs und Hase wahrscheinlich regelmäßig "Gute Nacht" sagen und Internet oder Handyempfang fast gar nicht verfügbar sind, dass Janko doch erst am frühen Morgen des letzten Tages abreisen musste, so dass er das Festival dann doch auch noch genießen konnte.

 

Herrschte im vergangenen Jahr echtes, fast schon zu heißes Götterwetter, so hatte 2017 für's Festival das Gegenprogramm gestartet - tagelange Regengüsse und Temperaturen um 17 Grad ließen mich jubilieren, dass wir unser Wohnmobil als Refugium haben. Viele Familien waren mit Auto und Zelt angereist und ließen sich trotz allem die Laune nicht vermiesen. Die Kinder natürlich schon mal gar nicht. Liefen im letzten Jahr fast alle mit FlipFlops oder barfuß herum, liefen sie in diesem Jahr eben mit Gummistiefeln - oder barfuß ... ;)

 

Wieder gab es jede Menge malerischer Trucks zu bewundern, die Freilerner sind reiselustig. Haben ja auch Zeit dazu. Zwei tolle Vorträge hörte ich mir zu diesem Thema an - da läuft einem schon ein bisschen das Wasser im Munde zusammen, auch wenn wir durch die Hunde leider sehr eingeschränkt sind bzgl. reisen. Das Festival-Programm war mit vielen interessanten Vorträgen, Gesprächsrunden, Workshops, Musik und anderen Aktionen wieder eine tolle bunte Mischung, die Besucherzahl in diesem Jahr deutlich größer als im letzten - die Schulfrei-Szene wächst rasant in Deutschland. Aber die Besucher kamen auch von weiter her, um am Festival teilnehmen zu können: Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden waren einige Länder, die ich so mitbekommen habe, sogar aus Kanada war jemand angereist.

 

Nach zwei, drei Stunden im Trubel musste ich mich zwischendurch zurückziehen, um wieder ein bisschen Ruhe zu tanken, was ganz prima in Regenpausen auf Hundespaziergängen auf den wunderschönen Waldwegen geschehen konnte oder auch beim Lesen, Schlafen, Schreiben im Wohnmobil. Noch immer bin ich borreliosebedingt nicht so arg belastbar, was Außeneinflüsse angeht, die erschöpfen mich einfach wahnsinnig schnell. Geräusche (ja, auch Gespräche sind Geräusche ;) ),visuelle Eindrücke überfordern mich ziemlich flott, und so bekomme ich natürlich immer nur einen Bruchteil des vielfältigen Programms und inspirierender Gespräche mit.

Aber immerhin! Ist halt ein ausgewählter Genuß. Und einige interessante Eindrücke durfte ich auch mitnehmen, zum Beispiel den Appell eines in Kanada lebenden Freilerner-Papas, auch Kanada zur Auswanderung zwecks Bildungsfreiheit in Betracht zu ziehen. Dort lebten 30% aller Kinder schulfrei, legal und gesellschaftlich gut angesehen - eine Zahl, die aus unserer mehr als wackeligen Perspektive in Deutschland wirklich gewaltig erscheint - und Kanada unterstütze seine "homeschooler" selbstverständlich durch Materialgelder u. a..

 

Der wundervolle Vortrag von Gabi Reichert, die als Reisejournalistin und -fotografin mit Mann Gunter und den inzwischen erwachsenen Kindern jahrelang u.a. Europas Küsten bereiste, wodurch die Kinder ganz intensiv vom Leben lernen durften (um dann anschließend in eigenständiger Vorbereitung als externe Prüflinge einige deutsche Schulabschlüsse zu erwerben ;) ), hat mich sehr berührt. Gabi plädiert stark dafür, sich - am besten auf spielerische Weise - mehr und viel mehr mit dem zu beschäftigen, was man liebt, was aus einem hinaus in die Welt möchte. Das sei so viel zufriedenstellender als die Schwerpunkte zu setzen auf Dinge, die man noch nicht kann, Fehler, die man ausmerzen muss und Skills, die man optimieren sollte (wie es leider allzu häufig in der Schule geschieht). Eine Angst vor'm Fehlermachen und eine verkrampfte Haltung im eigenen Tun könne da schon mal das Resultat sein. Gabis irre schöne Fotos, mit denen der Vortrag eindrucksvoll illustriert wurde, sprechen für sich - da tut seit vielen Jahren jemand genau das, was sie liebt. Umso schöner war es für mich, zwischendurch und zum Schluß des Festivals hin, in persönlichen Gesprächen mit ihr endlich mal wieder näher in Kontakt zu kommen. Extrem inspirierend!

 

Wieder nett war auch in diesem Jahr, dass unser Büchertischchen "for free" (feel free to take three oder so ähnlich :) ) erneut nach nur kurzer Zeit geleert war. Unsere ausrangierten Kinderbücher, CDs und sogar noch einige altertümliche Kassetten hatten schnell neue Liebhaber gefunden, und es war schön, auf dem Gelände hin und wieder mal einem unserer alten Bücher in Kinderhänden zu begegnen.

 

Die Jungs haben das Festival wieder einmal genossen, besonders Jakob glänzte mit Abwesenheit vom Wohnmobil bis in die frühen Morgenstunden, ich glaube, einmal war er erst um 6 Uhr "zuhause". Echt cool, diese Freiheit, die dort möglich ist, obwohl er dann im Dunklen immer noch einige Minuten Fußweg vom Festivalgelände zum Wohnmobil zurücklegen musste. Wir ließen die Türe nachts einfach unverschlossen, das geht dort problemlos (und für den Notfall haben wir ja noch zwei tiefschlafende Hunde dabei ;) ).

 

Unten könnt ihr noch ein paar kleine Eindrücke aus den vier Tagen sehen. Vom bunten, trubeligen Festivalgelände selbst stelle ich hier keine Fotos ein, da da natürlich immer viele kleine und große Menschen mit drauf waren und ich nicht abschätzen kann, ob es für den ein oder anderen ein Problem wäre, veröffentlicht zu werden.

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Kommentare: 2
  • #1

    Annette (Ati) (Dienstag, 19 September 2017 13:09)

    Endlich! Endlich mal wieder ein so locker geschriebener und so lustig formulierter Eintrag in Deinem Blog, Anja! Es freut mich sehr, dass Du Dir die Zeit dafür genommen hast, Deine (Eure) Eindrücke vom Festival zu beschreiben - Klasse ist das! Ja, wie soll ich sagen, einfach: Das Schreiben liegt Dir sehr!

  • #2

    #feelfreetobefree (Dienstag, 19 September 2017 15:42)

    Danke, Ati, sehr, sehr lieb von Dir!